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Hey, sei nicht so hart zu dir selbst

Sei nicht so hart zu dir selbst

Photo credit: Danni Wiebelhaus

Warum Gut auch mal genug ist

Fitter werden, gesünder leben, mehr Zeit mit der Familie verbringen, mehr Geld verdienen, viel mehr Geld verdienen, den Moment genießen, mehr Yoga machen…Die Liste mit den persönlichen Vorsätzen ist lang. Sehr lang. Manchmal vielleicht auch zu lang? Viele gehen tagtäglich an ihre Grenzen, versuchen ihren eigenen Ansprüchen und denen von außen irgendwie gerecht zu werden. In der heutigen Leistungs- und Optimierungsgesellschaft ein Drahtseilakt. Nicht selten geht das gesunde Maß verloren.

Warum „gut“ auch mal genug ist und wie wir eine gesunde Mischung aus Leistung, Ehrgeiz und Zufriedenheit finden, erklärt uns jetzt unser Experte Sören Bechtel. Er bietet Gewohnheitscoachings an und ist Experte für Erfolg und Motivation.

Fit, erfolgreich, zufrieden: Herr Bechtel, warum stellen viele heutzutage überhaupt so hohe Ansprüche an sich selbst?

Dafür gibt es sehr individuelle Erklärungen. Allerdings fallen einige Muster auf, die bei vielen recht ähnlich sind und zu einer übertriebenen Anspruchshaltung führen. Ein Grund ist der Perfektionismus, der für eine zu hohe Anspruchshaltung sorgt. Da wird die Messlatte sehr hoch angelegt. Für einen selbst, aber auch für alles andere. So nach dem Motto: „Das Beste ist geradeso gut genug“.

Ein weiterer Punkt ist die sogenannte Wahrnehmungsverzerrungen. Vor allem bei den sogenannten „Millennials“ (auch Generation Y genannt. Geboren zwischen 1980 und 1994) und der „Generation Z“ (geboren zwischen 1995 und 2012) existiert eine extreme Anspruchshaltung.

Es geht um die völlig überzogene Anspruchshaltung der Millennials bezogen auf ihren Arbeitsplatz.
Gut gemeinte, aber nicht zielführende Erziehung der Eltern, die mit Sätzen wie: „Du bist was Besonderes.
Du kannst alles im Leben haben, was Du willst“ geprägt sind.

Die beiden oben beschriebenen Generationen wurden und werden häufig von sogenannten „Helikopter-Eltern“ großgezogen. Damit sind Eltern gemeint, die alle Probleme ihrer Kinder lösen, beziehungsweise diese davor bewahren. Und ihre Kinder somit zur Unmündigkeit erziehen. Die Helikopter-Eltern sorgen dafür, dass ihre Kinder gute Noten bekommen. Nicht etwa, weil sie es verdient hätten, sondern, weil sich die Eltern bei den Lehrern beschweren, wenn das Kind nur die Note drei mit nach Hause bringt. Dann war die Klausur einfach „zu schwer“ oder „der Lehrer ist an allem schuld!“

Sind wir aus Ihrer Sicht also generell zu hart zu uns selbst?

Ich denke manchmal, wir sind wirklich zu hart zu uns selbst. Wir leben grade in einer Zeit, wo Technologie eine große Rolle spielt. In der Facebook, Instagram und Snapchat-Welt bekommt die Realität einen Filter. „Seht alle her, mein Leben ist großartig“ (auch wenn ich eigentlich depressiv bin).

Dem vermeintlichen Ideal sind wir täglich ausgesetzt. Das wollen wir auch haben oder so wollen wir auch sein. Um das zu erreichen, sind wir dann ständig auf der Suche nach der Selbstoptimierung. Darüber hinaus gibt es noch ein weiteres Problem: Ich poste etwas, irgendjemand liked es – dann wird Dopamin im Gehirn freigesetzt. Es fühlt sich gut an. Somit werden wir auf sofortige Belohnung konditioniert.

Woran merke ich denn, dass ich gerade „übermotiviert“ bin und mir zu viel zumute?

Motivation ist natürlich grundsätzlich sehr gut. Wenn man aber Übermotiviert ist und sich zu viel zumutet, kann das schnell nach hinten losgehen. Dann fühlen wir uns überwältigt und manchmal auch vollkommen überfordert, all die Dinge leisten zu müssen. Häufig werden dann bestimmte Stresserlebnisse sichtbar:

Körperliche Signale, wie Magenschmerzen, Kopfschmerzen, Schlafschwierigkeiten o.ä. treten auf.
Psychische Signale, wie veränderte Stimmung, Gereiztheit, Aggressivität, Unzufriedenheit usw. kommen zu Tage. Oder auch bestimmte Verhaltens-Signale wie Zähneknirschen, ungesunde Ernährung, Verzicht auf Pausen, exzessives Arbeiten werden von Betroffenen beobachtet.

Wie finde ich denn ein gesundes Maß an Ehrgeiz?

Es muss nicht alles „perfekt“ sein. Manchmal reicht es auch, wenn etwas „gut“ ist! Auch hier kann Dankbarkeit für das, was Sie bereits erreicht haben bzw. für das, was Sie bekommen, nicht schaden. Fokussieren Sie sich auf sich selbst, anstatt zu gucken, was der Nachbar besitzt, macht oder bereits erreicht hat!
Stellen Sie sich immer folgende Fragen:

Macht es mir Spaß?

Macht es mich glücklich?

Tut es mir gut?

Hilft es anderen?

Wenn Sie mindestens drei der Fragen mit Ja beantworten können, sind Sie auf dem richtigen Weg.

Haben Sie Tipps wie ich Vorsätze/Ziele anpacke, ohne mich dabei zu überfordern?

Der wichtigste Ansatz hierbei ist, immer eins nach dem anderen zu tun. Damit meine ich, nehmen Sie sich immer nur ein Ziel oder Vorsatz zur gleichen Zeit vor. Teilen Sie dann Ihr Vorhaben in kleine Etappenziele ein. Gehen Sie kleine Schritte, die für Sie machbar sind. So können Sie sich nicht überfordern. Möchten Sie fitter werden und nachher 5 KM joggen? Beginnen sie mit 100 Metern pro Tag. Fangen Sie klein an, und steigern Sie es mit der Zeit. Das hat auch einen psychologischen Trick – 100 Meter schaffen Sie auch an Tagen, an denen Sie eigentlich keine Zeit oder wirkliche Lust haben.

Sie sind Experte für Erfolg und Motivation. Fällt es da schwer, selber auch mal „fünfe gerade sein zu lassen“?

Auch ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich mich in bestimmten Situationen überfordere.
Der Unterschied liegt allerdings darin, dass es mir schneller auffällt und ich dann die Möglichkeit habe, etwas dagegen zu tun und es zu ändern.
Genau das unterscheidet den Profi vom Amateur: Schneller zu erkennen, um dann zu justieren, wenn einem etwas bewusst und klar wird. Das ist aber etwas, das jeder lernen kann.

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